Wie haben Sie sich dafür entschieden, VIOR in einem Bergwerk zu inszenieren?
Das Bergwerk war ein Vorschlag von RIBAG. Es gab eine gemeinsame Begehung, woraufhin wir uns dafür entschieden haben. Wir haben bei unserem Besuch schnell gemerkt, dass die Location fotografisch etwas hergibt. Die Schwierigkeit war, eine Verbindung der faszinierenden Location und der Leuchte herzustellen, welche Sinn ergibt.
Können Sie ausführen, wie Sie auf die detaillierte Gestaltung des Settings gekommen sind? Und wie kamen Sie auf die Idee der Badewanne?
Wir wollten eine gewisse Wohnatmosphäre herstellen. Eine solche Leuchte in einem Bergwerk macht ja gar keinen Sinn. Unsere Intention war also etwas sinn stiftendes zu machen und eine Wohlfühloase ins Bergwerk zu bringen. Warum eine Badeszene? Das Bergwerk ist ja sehr dreckig, wir kamen auch total dreckig da raus. Also wollten wir einen möglichst grossen Kontrast herstellen und die Reinigung durch das Baden inszenieren. Wir wollten durchaus auch irritieren, etwas intimes schaffen, eine Assoziation mit Wärme, Ästhetik zeigen, das alles macht ja wirklich keinen Sinn im allgemeinen Verständnis eines Bergwerkes. Bei der Badewanne haben wir absichtlich einen Klassiker gewählt, die Badewanne ist ein einfaches Objekt mit einer grossen Aussagekraft.
Sie haben in Ihrem Setting eine Wohlfühloase mit dem Licht von VIOR geschaffen. Wie kamen Sie auf die Idee, dass Sie mit Licht einen «Traum» inszenieren?
Die Idee ist eigentlich sehr spontan entstanden: Wir machen eine Traumsequenz mit mehreren Bildern. Darunter auch ein Vergleichsbild Traum und Wirklichkeit. Wir haben ja schon viele surreale Welten erschaffen aber so eins zu eins einen Traum inszeniert, das war das erste Mal.
Was inspiriert Sie an der Leuchte VIOR?
Das Spezielle war ja, dass die Leuchte die Hauptlichtquelle darstellte, wodurch wir für das Shooting keine zusätzliche Lichtquelle benötigten. Ausser, rein technisch bedingt, haben wir mit unseren Blitzlichtern den Raum etwas aufgehellt. Die Leuchte funktioniert sehr schön als alleinige Lichtquelle und ist sehr ästhetisch, trotzdem unaufdringlich. Der Raum wirkt durch die Deckenbestrahlung sehr viel höher als er tatsächlich ist und durch das gerichtete Licht nach unten ist dem Betrachter klar, da unten passiert was, da ist die Hauptszene.
Welche Funktion, Aufgabe und Wichtigkeit hat Licht in ihrem alltäglichen Beruf?
Wir brauchen zu 99% künstliches Licht unserer Blitzgeräte /-lichter zum Ausleuchten. Tageslicht ist immer abhängig von der Zeit, das haben wir gar nicht gerne, da wir eigentlich immer einen Aufbau vor der Kamera machen. Das Tageslicht verändert sich und wir hätten nach 20 Minuten eine andere Lichtstimmung als gewünscht. Licht ist das A+O in der Fotografie, vor allem bei inszenierter Fotografie. Das Licht trägt massgeblich zur transportierten Stimmung bei. Bei unseren Projekten fangen wir immer bei Null an, mit einem schwarzen Raum, dann entscheiden wir als erstes woher das Licht kommen soll. Gerade deshalb war das Shooting für die RIBAG auch sehr spannend und entsprach unserem Stil. In der totalen Dunkelheit des Bergwerkes inszenierten wir als erstes die Leuchte und platzierten dann die Objekte darunter.
«Das Foto muss Sinn machen oder in seinem Kontext Sinn schaffen und immer auch eine Spur Witz haben.»
Cortis & Sonderegger, Fotografen
Was zeichnet Ihre Arbeit aus?
Wir sind hauptsächlich spezialisiert auf Inszenierungen. Dabei gehen wir sehr konzeptbezogen vor und legen nicht aus dem Bauch heraus los. Wir legen uns das Konzept vorab genau zurecht und besprechen danach die Idee und die Ausführung. Wir machen sehr aufwändige Inszenierungen die etwas erzählen, es soll mehr als ein Bild sein, nicht rein ästhetisch. Es wäre naheliegender gewesen, eine schöne Frau unter der Lichtquelle zu inszenieren und zu fotografieren, aber das wäre für uns zu einfach gewesen und entspricht nicht unserem Stil. Das Foto muss Sinn machen oder in seinem Kontext Sinn schaffen und immer auch eine Spur Witz haben.
Wie haben Sie sich kennengelernt und was führte Sie in Ihrer Arbeit zusammen?
Wir haben uns an der Kunsthochschule in Zürich kennengelernt, da haben wir von 2001 – 2006 studiert und zusammen abgeschlossen. Bei unserer gemeinsamen praktischen Abschlussarbeit haben wir das Thema «Inszenierte Orte» gewählt, das legte den Grundstein für die weitere Auseinandersetzung und Vertiefung mit dem Thema. Als Theoriearbeit schrieben wir gemeinsam über Künstlerpaare. Nun leben wir dieses Modell selbst.
Wann wussten Sie, dass Sie sich der Fotografie widmen möchten?
Adrian Sonderegger: Ich besuchte mit 17 am Gymnasium einen Fotografie-Kurs, dort habe ich die Welt der Fotografie entdeckt. Danach machte ich einen allgemeinen Vorkurs für die Kunsthochschule, bei welchem ich mich auch noch anderen Themen öffnete, welche mich jedoch nicht in gleichem Masse ansprachen, für mich war klar, dass ich fotografieren wollte.
Jojakim Cortis: Für mich war die Fotografie ein Hobby, das ich zum Beruf gemacht habe. Was wünscht man sich mehr (lacht).
Wie sieht ihr Tagesablauf aus?
Relativ unspektakulär, wir haben beide Familien also machen wir als erstes am Morgen die Kinder fertig, also nicht immer alleine (lacht). Danach treffen wir uns um 09:00 Uhr im Atelier und arbeiten bis 18:00 Uhr, wie andere auch. Wir führen in dem Sinne kein «Künstlerleben». Früher taten wir das schon. Da arbeiteten wir bis spät in die Nacht und schliefen auch mal im Atelier. Heute schätzen wir die Freiheit der Selbstständigkeit. Da wir zu zweit sind, sind aber feste Zeiten notwendig, an welchen wir uns sehen können.
Wo finden Sie Inspiration für Ihre Inszenierungen?
Adrian Sonderegger: An Ausstellungen, online, beim Anschauen anderer Fotografenarbeiten. Dabei gibt es aber absolut kein Copy-Paste, es ist vielmehr ein Einsaugen an Eindrücken, dazu kommt die eigene Meinung, die Zeit in der man lebt. Alle Eindrücke zusammen lasse ich sich setzen, dabei vermischen sie sich zu neuen Ideen. Oftmals spielt auch ein Wiederentdecken älterer Sachen mit rein.
Jojakim Cortis: Ich finde Inspiration oft in Filmen und Büchern, oder wenn ich im Internet google. Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Es gibt in dem Sinne nicht einen Ort an dem ich Inspiration finde, sondern ganz viele.
Wie starteten Sie mit Ihrem Projekt Double-Take?
Das war 2012. Es war gerade Sommerflaute und wir hatten keine Aufträge. Also hatten wir die Idee, dass wir die teuersten Werke der Fotografie kopieren. Das erste Bild war «Rhein II» von Andreas Gursky, die damals am teuersten gehandelte Fotografie. Eigentlich ist sie ziemlich unspektakulär – eine abstrakte Fotografie vom Rhein. Wir wollten das Bild aus seiner zweidimensionalen Struktur nehmen und es dreidimensional darstellen. Also bauten wir die Szene in unserem Studio mit einem Modellbau in 3D nach und fotografierten es ab, wodurch es wieder zweidimensional wurde. Interessant dabei war, alles war im Studio aufgebaut und unabsichtlich waren auf den Bildern noch «Bastelutensilien» des Aufbaus sichtbar, wodurch dem Betrachter klar wurde, dass es sich beim Bild um ein Modellbau in einem Studio handelt. So erreichten wir eine perfekte Vortäuschung davon, was wirklich ist, die Auflösung des Bekannten durch Platzierung von verschiedenen Objekten am Bildrand, Kleber, Klammern etc. Der Effekt: Es ist ja «nur» im Studio. Dabei erzählt die Darstellung selbst eine Geschichte, die Fotografie dann noch eine zweite. Die zweitteuerste Fotografie war eine Nahaufnahme eines Gesichtes. Diese nachzustellen trauten wir uns nicht. Also haben wir das Thema von den teuersten Fotografien zu Fotografie-Ikonen ausgeweitet. Da es viele Fotografie-Ikonen gibt, haben wir zu Beginn Bilder aus dem Bauch heraus ausgewählt und nachgestellt.
«Eine „immer harmonische Zusammenarbeit“ ist nicht realistisch.»
Cortis & Sonderegger, Fotografen
Nehmen Sie nur eigene Ideen auf oder lassen Sie sich manchmal auch beeinflussen?
Das Ikonen-Projekt ist unser eigenes, bei welchen wir frei entscheiden, welches Bild wir nachbauen möchten und wie das auszusehen hat. Gelegentlich machen wir noch Auftragsarbeiten, bei welchen wir sehr frei sind bei der Ideenfindung. So wie bei RIBAG. Ist die Zusammenarbeit immer harmonisch, ergänzen Sie sich oder geraten Sie auch mal aneinander? Eine «immer harmonische Zusammenarbeit» ist nicht realistisch. Wir haben immer Diskussionen über Bildideen, jeder verteidigt dabei seinen Ansatz und bringt ergänzende Vorschläge und Umsetzungsmöglichkeiten. So wird die Idee geformt, verändert oder angepasst, bis wir schliesslich eine gemeinsame Lösung finden.
Wann genau wurde Ihr erstes Bild bekannt?
Das war 2014, da gewannen wir den EWZ Swiss Photo Award, den es mittlerweile leider nicht mehr gibt. Den ersten Hype spürten wir dann 2015/16 über das Neujahr. Die Zeitung Le Monde brachte ein Weekendmagazin heraus, in welchem unsere Bilder abgedruckt wurden, daraufhin wurden wir während zwei Wochen von Emails und Anfragen überflutet, von Blogs und Magazinen, die unsere Bilder abdrucken wollten. Viele Blogs veröffentlichten die Bilder auch einfach ohne nachzufragen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft in Bezug auf Ihre Arbeit?
Jojakim Cortis: Dass wir weiterhin die Bildideen umsetzen können, die wir möchten, dass wir Spass daran haben und gutes Feedback für unsere Arbeit erhalten.
Adrian Sonderegger: Wir sind ja wie bereits erwähnt beide Familienväter und nicht mehr alleine als Künstler unterwegs. Die seriöse und langfristige Arbeitsbeschaffung ist im Kunstbereich schwer abzuschätzen und der Verlauf sehr unvorhersehbar. Man weiss nie, ob man wieder einmal an einer Ausstellung gezeigt wird oder nicht. Durch unsere Auftragsarbeiten von unseren Stammkunden haben wir ein gesichertes Einkommen für die Familie. Der Wunsch ist natürlich, dass immer beide Welten miteinander möglich sind.